Erzabtei St. Peter Salzburg (A)

P. Placidus Schinagl

Ich, Placidus, habe viele Berufungsgeschichten gehört und gelesen. Jede Einzelne hat mich fasziniert. Doch eine Geschichte hat mich schon von Kind auf begeistert: die Berufung Samuels zum Propheten (1. Samuel 3).

Meine eigene Berufung kann ich nicht an einem spektakulären Einzelereignis festmachen, das mein Leben von jetzt auf gleich völlig auf den Kopf gestellt hätte, wie es etwa in der Bibel über Paulus berichtet wird (z.B. Apg 9,1-19). Jesu Rufen spüre ich von Klein auf. Er zieht mich an sich, bis zum heutigen Tag. Mir war dies nur nicht immer so bewusst.

Ich bin in einer ländlichen Gegend aufgewachsen. Mein Kindheitstraum war es, wie meine Großeltern im landwirtschaftlichen Betrieb zu arbeiten. Mit ca. 9 Jahren wurde ich mit meiner Klasse von unserem örtlichen Pfarrer im Religionsfach unterrichtet und auf die Erstkommunion vorbereitet. Damals erzählte er von seiner eigenen Kindheit, wie er zusammen mit seinen Eltern daheim einen kleinen Mai-Altar aufbaute, mit Blumen, Kerzen und einem Bild der Mutter Gottes, an dem sich dann die ganze Familie zum Gebet versammelte. Das wollte ich auch! Und so errichtete ich einen solchen Altar bei uns daheim im Wohnzimmer. Nur sollte es nicht bei diesem Altar bleiben. Es entstand ein selbstgebastelter „Gottesdienstraum“ mit allen Dingen, die es brauchte, natürlich selbst gebastelt. Ich hatte dabei eine große Liebe zum Detail. Das ging so lange, bis meine Familie meinte, sie hätte gerne wieder ein „normales“ Wohnzimmer. So zog ich mit meiner „Kirche“ in einen freigewordenen Raum des Hauses um. Dieser Raum wurde für mich ein wichtiger Gebetsraum. Dabei hat sich meine anfangs eher kindliche und spielerische Art zu immer größerer Ernsthaftigkeit hin entwickelt. Wenn ich etwas auf dem Herzen hatte, war es Freude, Begeisterung, Trauer oder Angst, ging ich an diesen Ort, an dem ich ungestört mit Jesus in Verbindung treten konnte. Ich fühlte, dass ER da ist, mir zu hört und mir auch antwortet.

Ich erinnere mich noch an einen Sonntagsgottesdienst in der Heimatgemeinde. In seiner Predigt sprach der Pfarrer über die Heiligen der Kirche. Die Erzählungen über sie seien nicht nur nette Geschichten aus der Vergangenheit, sondern wahre Beispiele für uns heute, die uns dabei helfen sollen selbst Heilige zu werden. Das nahm ich mir zum Vorsatz, den ich am Beispiel meines Taufnamenspatrons, dem hl. Martin von Tours versuchte, immer mehr in die Tat umzusetzen und in mein Leben zu integrieren – bis heute. Auch, wenn es nicht immer einfach ist. In dieser Zeit reifte in mir auch der Entschluss Priester zu werden.

Nach der Erstkommunion wurde ich Ministrant. Der Dienst am Altar und die für mich damit verbundene Nähe zu Jesus machte mir große Freude. Ich fühlte mich mit wachsender Intensität zu den Gottesdiensten hingezogen. Regelmäßig meldete ich mich freiwillig zu den verschiedenen Diensten und entdeckte dabei u.a. meine Liebe zur Liturgie. Heute bin ich meinen Eltern sehr dankbar, dass sie immer bereit waren mich in die Kirche zu fahren.

Schulisch war ich eher durchschnittlich unterwegs und so wechselte ich nach der Grund- auf die Realschule, weil meine Noten für das Gymnasium zu schlecht waren. Dass es da jemanden mit eher ungewöhnlichem Berufswunsch gibt, hatte sich innerhalb kürzester Zeit in der ganzen Schule herumgesprochen. Ich machte auch kein Geheimnis daraus. Dadurch war es in der Schule für mich nicht immer einfach. Oft wurde ich hinterfragt und mit anderen Meinungen konfrontiert, was ich im Nachhinein als wertvollen Reifeprozess empfinde. Bei einigen Mitschülern habe ich gemerkt, dass sie durch mein Glaubenszeugnis zur Auseinandersetzung mit dem Glauben angeregt wurden.

Nach der Realschule wechselte ich nach dem Vorbild des ehemaligen Oberministranten an das erzbischöfliche Spätberufenenseminar mit Gymnasium und Kolleg St. Matthias in Waldram-Wolfratshausen. Hier machte ich das Abitur nach und lernte u.a. Latein und Griechisch, was für das spätere Theologiestudium sinnvoll war. Vor allem aber hat mich das Leben im Seminar geprägt. Hier konnte ich mich intensiv mit meiner Berufung auseinandersetzen. Ich lernte viele Menschen kennen und unterschiedliche Arten der Spiritualität. Durch zahlreiche Ausflüge habe ich viel von der Welt sehen dürfen, was sehr bereichernd für mich war.

Mein ursprünglicher Wunsch war es „Pfarrer“ zu werden. Die Frage, ob nun als Diözesanpriester oder als Teil einer Ordensgemeinschaft stellte sich bis dahin nicht. Vor meinem inneren Auge sah ich mich stets als Priester einer Diözese. Vom Ordensleben hatte ich ein verzerrtes und durch die Medien beeinflusstes Bild. Meinen Wunsch Seelsorger in einer Gemeinde zu sein, konnte ich in meinen Vorstellungen zunächst nicht mit Ordensleben in Verbindung bringen.

Unser Heimatpfarrer zu der Zeit, selbst Ordensmann, hat mir geholfen eine andere Sichtweise auf das Ordensleben zuzulassen. Zudem habe ich das Gemeinschaftsleben im Seminar und vor allem auch das gemeinsame Gebet zu schätzen gelernt. Und so wurde ich immer unsicherer, ob Priester in einer Diözese tatsächlich der richtige Weg für mich ist. In dieser Zeit habe ich damit begonnen, diese Worte immer wieder vor Jesus zu bringen: „Ich möchte dir nach deinem Willen nachfolgen. Führe mich dorthin, wie und wo du es willst.“ Für eine konkrete Antwort auf die Frage, wie es für mich weitergeht, musste ich mich jedoch noch etwas gedulden.

In der Waldram-Zeit lernte ich einige Ordensleute und Klöster kennen. Zunächst war ich überrascht, wie normal und fröhlich diese waren. Sie entsprachen jedenfalls nicht dem vorgefertigten Bild, das ich in meinem Kopf hatte.

Einmal hat zu Kirchweih in einer Filialkirche meiner Heimatpfarrei ein benachbarter Pallottiner die hl. Messe vertretungsweise gefeiert. Und irgendwie hat es mich gedrängt ihn zu fragen, wie es dazu kam, dass er in den Orden eingetreten ist. Es war für mich ein sehr beeindruckendes Gespräch. Und so wollte ich mir das Leben der Pallottiner mal genauer anschauen. Ich fragte an, ob ich mal eine Woche vorbeikommen könnte. Es war eine sehr schöne und wichtige Woche. Hier hatte ich das Gefühl, es geht in die richtige Richtung. Aber irgendwie hat für mich noch etwas gefehlt. Aus diesem Grund streckte ich weiter meine Fühler in die Ordenswelt aus, schnupperte unter anderem bei den Herz-Jesu-Missionaren, Prämonstratensern, Augustiner-Chorherren und Salesianern rein und durfte mir wunderbare Berufungsgeschichten und Glaubenszeugnisse anhören. Es hat mir überall gut gefallen, allerdings hat mir immer irgendetwas gefehlt. Was genau, konnte ich nicht definieren. Klar war mir jedenfalls: Benediktiner werde ich auf keinen Fall. Viel zu extrem! Das ist nichts für mich.

Als meine Großeltern in der Wallfahrtskirche Maria Plain bei Salzburg Goldene Hochzeit feierten, betete ich am Ende des Gottesdienstes still in meinem Herzen vor dem Gnadenbild der Mutter Gottes mit dem Jesus-Kind auf dem Arm: „Wenn du, Jesus ,willst , dass ich in deinen Dienst gehe, dann musst du jetzt auch mal sagen wie und wohin.“ Die Antwort folgte einige Zeit später.

„Zufällig“ führte mich eine Seminarwallfahrt von Waldram aus nach Salzburg. Zunächst zum Gottesdienst erneut nach Maria Plain und anschließend zu einer Klosterführung in die Benediktiner Erzabtei St. Peter. Es war eine schöne Führung und ich dachte mir eigentlich nichts Besonderes dabei. Als wir allerdings aus der Stiftskirche in den Hof hinausgingen, fragte mich auf einmal der Hausmeister des Waldramer Seminars: „Und dort gehst du mal hin, oder?“. Ich war irritiert. Jedoch war es für mich wie eine Ohrfeige. In diesem Moment sagte ich dann so etwas wie: „Nein, das glaube ich nicht! Wie kommst du denn darauf?“. Allerdings ließ mich die ganze Sache auch Wochen später noch nicht los. So fragte ich schließlich in der Erzabtei St. Peter an, ob ich mir das Leben dort mal für eine Woche anschauen könnte.

Am Ostermontag 2015 startete meine Schnupperwoche in St. Peter. Gleich bei der Ankunft war mir tief im Inneren klar, dass es hier für mich passt. Sowohl die Lebensweise, der Ort wie auch die Gemeinschaft sagten mir zu. Es war dieses „gewisse Etwas“ vorhanden. Ich hatte einen inneren Frieden bei dem Gedanken, hier hinzugehen. Dennoch war ich dann noch öfter zu Gast, um für mich zu prüfen und sicher zu gehen, dass es nicht nur ein „Schnellfeuer“ war. Schließlich habe ich dann auch nach einigen Rücksprachen mit vertrauten Personen und meinem geistlichen Begleiter um Aufnahme in die Gemeinschaft gebeten. Am Hochfest Mariä Himmelfahrt 2016 begann dann mein Leben als Benediktiner, wer hätte das gedacht.

Ein neuer Lebensabschnitt hat für mich damit begonnen. Nicht nur mit dem Ordensnamen Placidus. Ich lernte dann vieles über das Mönchtum, den Hl. Benedikt und auch den Ort und die Geschichte des Klosters St. Peter.

Seither geht mein Weg der Gottsuche hier in der Erzabtei St. Peter in Salzburg weiter.