Augustiner-Chorherr im Stift Herzogenburg (A)

H. Stephanus Rützler

Ich bin Augustiner-Chorherr im Stift Herzogenburg in Niederösterreich. Aufgewachsen bin ich in Niederösterreich, aber die Stationen meiner Berufung führen über Sydney in Australien und die „Ewige Stadt“, Rom, und erstreckt sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Bis ich meine Berufung gefunden habe, war es also ein weiter Weg.
Zwar war ich als Kind und Jugendlicher Ministrant und besuchte eine Klosterschule in der Nähe meines Heimatortes – Religion und Glaube gehörte also dazu –, aber es blieb bei dieser allgemeinen Nähe, wie sie wie sie in unserer Gegend nicht unüblich ist. Eine Zukunft als Priester oder Ordensmann wäre mir ich als Jugendlicher nicht in den Sinn gekommen.
Dann aber erhielt ich die Chance, für ein Jahr im Rahmen eines Schüleraustauschprojekts nach Australien zu gehen. Ich landete im Großraum Sydney und besuchte in diesem Jahr eine Schule, die unter Trägerschaft einer christlichen Gemeinde stand. Diese Schule, ihre Leitung, ihre Lehrer und auch die Schüler räumte Jesus Christus einen besonderen Platz im Gemeinschaftsleben ein, der viel deutlicher hervor trat, als alles, was ich aus meiner Heimat kannte. Höhepunkt dieser Zeit in Australien war der Weltjugendtag in Sydney im Juli 2008, der alle diese Erlebnisse nochmals zusammenfasste und intensivierte.
Als ich schließlich nach diesem sehr spannenden und erlebnisreichen Jahr nach Österreich zurückkehrte, hatten mich die Begegnungen, Erfahrungen und Gespräche dieser Zeit so bewegt, dass ich beschloss, das Theologiestudium in Wien zu beginnen – allerdings noch immer nicht mit der Intention, einmal Priester zu werden. Ich hatte Interesse am Christentum gefunden und wollte darüber mehr lernen. Es ging also um das Studium, um die Beschäftigung mit der Lehre von Gott und dem Christentum, kurz: es war der akademische Gedanke, der mich bewegte.
Wieder aber führte mich Gott in kleinen Schritten auf dem Weg weiter, den er für mich vorgesehen hatte. Der nächste Schritt war zugleich die nächste Station in meinem Leben. Es ergab sich, nachdem ich den ersten Studienabschnitt erfolgreich abgeschlossen hatte, die Möglichkeit, ein Jahr in Rom zu studieren. Wiederum waren es die Bekanntschaften, Gespräche, Erlebnisse und die vielen neuen Eindrücke, die mich zum Nachdenken anregten und mit denen sich Gott in mein Bewusstsein drängte: der „Akademiker“ fand sich auf einmal rückverwiesen auf die eigene Existenz und die universitäre Theologie ihr Fundament im eigenen Glauben.
So kam es, dass am Ende dieses Jahres der Weg ins Priestertum so deutlich aufleuchtete, wie nie zuvor. Das Ideal des gemeinsamen Lebens im Dienst am Volk Gottes, so wie es uns Augustinus in seiner Regel vorstellt, kannte ich schon und den Augustiner-Chorherren, besonders dem Stift Herzogenburg war ich auch schon während des Studiums begegnet. Als nun der Ruf Gottes deutlich wurde, war mir daher auch klar, wohin er mich ruft. So wurde ich im August 2013 ins Noviziat aufgenommen und legte vier Jahre später die Ewige Profess ab.
Der Weg im Ruf Gottes endet jedoch nicht – weder mit einer Einkleidung oder Profess, noch mit der Priesterweihe, die ich im Herbst 2020 erhielt. Seit damals ist mir nochmals ganz anders und wieder neu bewusst geworden, dass die Aufgabe und Sendung, die Gott für uns vorgesehen hat, immer noch eine tiefere und neue Dimension bereit hält, die es zu entdecken und verfolgen gilt. Unser ganzes Leben als Christen ist ein Hingehen auf Jesus Christus und ein Hineinwachsen in die Liebe Gottes – dieser Weg hört niemals auf!
Gleichzeitig wird mir im Blick zurück auch deutlich, dass dieser Weg eher ein Marathon als ein Sprint ist. Es geht in der Berufung nicht um ein besonderes, einmaliges Erlebnis, etwa einen Blitz am Himmel, ein einmaliges, unerwartetes Wort, das einen völlig aus der Bahn wirft oder dergleichen, sondern um Beharrlichkeit, Ausdauer und Geduld. Natürlich kann es auch diese einmaligen Erlebnisse geben – und wo das geschieht, ist es wichtig und von Gott gewollt –, aber oft ist es so, dass Gott uns auch ohne diese Erlebnisse leitet und auf seinen Weg führt. Wie bei einem Marathon sind es dann die kleinen, aber beständigen Schritte, die zum Ziel führen. Aber in jedem dieser Schritte ist Gott mit dabei und nach und nach bringen sie uns immer näher zu ihm hin.