Franziskaner

Br. Martin Barmettler

Ich bin Br. Martin Barmettler und gehöre zur Gemeinschaft der Franziskanerkustodie Christkönig in der Schweiz. Mit meinem Ja zu Gott begann für mich ein wunderbares Abenteuer.

Alles fing im Mai 1980 an. Ich kam als Ältester von vier Kindern auf die Welt. Meine frühe Kindheit verbrachte ich im Oberägeri auf einem klassischen Bauernhof mit Milchwirtschaft. An diese Zeit habe ich leider nur wenige Erinnerungen. Wir zogen dann auch sehr bald nach Ziefen, ein Ort im Oberbaselbiet, zu dem in meiner Kindheit etwa tausend Haushalte gehörten. Nur etwa drei davon waren katholisch.  Meine Eltern übernahmen dort einen Betrieb mit Legehennen. Die Schulzeit war einerseits eine gute Zeit, andererseits aber auch sehr herausfordernd, da ich wegen meiner Legasthenie immer in Sonderklassen war, ausser in der Berufswahlklasse. Ich habe dann in Pratteln eine Lehre als Anlagen- und Apparatebauer absolviert und bin danach noch weitere vier Jahre in der Lehrfirma geblieben. In meiner Freizeit war ich damals viel im Ausgang, im Schützenverein in Ziefen und später dann noch in der Rotstab Clique.

Der Glaube an Gott hatte in meiner Kindheit schon eine Bedeutung. Als Kinder sind wir oft mit den Eltern in den Gottesdienst gegangen. In Ziefen jedoch wurden meine Eltern in der Pfarrei nicht mehr so heimisch, was mehrere Gründe hatte. Der Hauptgrund war wohl, dass die Kirche nicht mehr im Dorf war. Ich glaube, dass der Wirtschaftsbesuch nach dem Gottesdienst für meinen Vater genauso wichtig war, wie der Gottesdienst selbst.

Mit der Zeit wurden aber die Abstände zwischen unseren Kirchenbesuchen immer grösser. Der Gottesdienst war nicht mehr das Zentrum des Sonntags. Zuhause hat der Glaube kaum eine Rolle gespielt. Als wir kleine Kinder waren, gab es zwar noch ein Nachtgebet und ein Tischgebet, aber mit der Zeit hatten auch diese Gebete keine Bedeutung mehr. Ich selber habe als Kind und Jugendlicher eigentlich nie an der Existenz Gottes gezweifelt, aber Gott hatte damals für mich keine eine grosse Bedeutung. Ich habe nicht verstanden, was Gott mit meinem Leben zu tun hat.

In der Jugendgruppe bei der Chrischonagemeinde habe ich eine Begeisterung für den Glauben erfahren und bin ihr auch total dankbar, dass sie mich auf meine Sehnsucht nach Gott aufmerksam gemacht haben. Als ich älter wurde, gab es in der Chrischonagemeinde einen Pastorenwechsel. Die neuen Pastoren waren nicht mehr so ökumenisch gesinnt, so dass ich mich nicht mehr wohl fühlte und ich die Gemeinde verlassen hatte.

Mit der Zeit merkte ich immer mehr eine Sehnsucht, die einfach da war, bei der ich aber nicht wusste, wie ich auf diese Sehnsucht antworten soll.
Auch der Firmkurs konnte leider mein Suchen und meine Fragen nicht beantworten. Dadurch ist in meinem Leben ein Bruch mit Gott entstanden. Ich hatte einfach genug, nach einer Antwort auf meine Sehnsucht zu suchen. In dieser Zeit wollte ich sein wie die anderen. Daher hatte mein Schutzengel eine enorm anstrengende Zeit, denn ich habe oft dumme Sachen gemacht und in vielen Gelegenheiten hätte in manchen Dingen vieles sehr schief gehen können. Und trotzdem hat mich dieses Leben auch nicht erfüllt. Ich habe mich nicht lebendig gefühlt. Es war so wie in einem grossen Theater: Alle leben mit einer Maske. Dazu kommt noch, dass ich mich selber darin gar nicht mehr kannte. In einem solchen Theater lebt man nicht mehr, sondern man wird gelebt.

Doch mit etwa dreiundzwanzig Jahren kam es doch ganz anders. Ich schaute in der Stube auf die Landschaft und sagte zu Gott folgendes: Wenn es dich wirklich gibt, dann sage ich Ja zu dir.
Ab diesem Moment kam Gott für mich wie vom «Himmel» herunter und begegnete mir ganz persönlich. Das mein ehrlich gemeintes Ja zu Gott solche Auswirkungen hatte, hätte ich im ersten Augenblick nie so erwartet. Da es früher bei mir in der Familie üblich war, am Sonntag in die Kirche zu gehen, fing ich wieder an, den Gottesdienst zu besuchen.

Die ersten Male ging ich direkt von der Party in die Kirche, doch das war für mich nicht gerade die beste Idee, denn ich merkte, dass die Orgel im Vergleich zur Techno-Musik enorm langsam und dadurch ein gewaltiger Kontrast war. Daher bevorzugte ich die Vorabendmesse.  
Ich ging dann öfters in die Kirche, doch ich fragte mich auch wiederum hier, ob das schon alles sei?
Bei einem Einkauf traf ich auf meinen früheren Jugendarbeiter, der zu diesem Zeitpunkt vor seiner Pensionierung stand. Mein Jugendarbeiter empfahl mir dann, sich bei seinem Nachfolger zu melden. Dieser hat mich motiviert bei der Firmvorbereitung mitzuwirken.
Ebenso habe ich mich auch in meiner Pfarrei für die Stelle als Hauswart und Sakristan beworben. Die Pfarrei war dann zum guten Glück ein wenig verrückt, denn sie hatte mich fünfundzwanzig Jährigen, der von der Materie keine so grosse Ahnung hatte, anstellen wollen.
Jahre später fragte ich den Kirchenratspräsidenten, warum sie mich genau genommen hatten. Seine Antwort war, weil ich gesagt habe, dass ich nicht einen Job, sondern eine Aufgabe suche.
Da ich eben nur geringe Vorkenntnisse hatte, war das erste Jahr anstrengend und herausfordernd. Doch mit der Zeit hatte ich immer grössere Freude an meinen Beruf als Hauswart und Sakristan. Dazu wuchs ich auch im Glauben.

Ein weiterer wichtiger Schritt auf meinem Berufungsweg war für mich der Kommunionhelferkurs. Nicht der Kurs an sich war für meine Berufung wichtig, sondern dass ich Gleichaltrige traf, die stolz waren katholisch zu sein und die voller Freude von ihrem Glauben erzählten. Nach dieser Zeit machte ich mich auf die Suche nach einer Gruppe von Gleichaltrigen, die im Glauben unterwegs waren. Im Internet fand ich die Seite jugenda.ch und darin gab es zwei Angebote, die mir zeitlich und geographisch entsprachen. Das war zu einem das Angebot von Minus 35 in Basel und die Fusswallfahrt in den Flüeli-Ranft mit der franziskanischen Gemeinschaft.

Ohne die Begegnung mit dem charismatischen Zweig der Kirche hätte mein Glaube nicht so reifen können. Meine erste Begegnung mit den Franziskanern war auf der schon erwähnten Fusswallfahrt in den Flüeli Ranft. Dort begegnete ich Pater Hans Lenz, worauf ich nach dieser Wallfahrt und Begegnung ein paar Tage bei den Franziskanern in Näfels verbrachte. In diesen Tagen lernte ich die unterschiedlichsten Brüder kennen. Als ich zum ersten Mal in dieses Kloster eintrat, wusste ich, dass ich hier zu Hause war, aber ich konnte damals noch nicht Ja sagen.
Nach diesen Tagen habe ich bald den franziskanischen Glaubenskurs von P. Christoph-Maria Hörtner OFM und Sr.Tobia Rüttimann (Ingenbohler Schwester) besucht. Dieser Kurs hat mir sehr viele Grundsteine für meine Beziehung zu Gott gelegt, auf die ich heute noch zurückgreife. Auch die geistigen Gespräche in diesem Kurs mit anderen Teilnehmern hatten mich vieles verstehen und begreifen lassen. Doch den entscheidenden Schritt in den Orden wagte ich noch nicht. Es gab vor allem zwei Gründe dafür:

Der eine war meine Unklarheit, was ich im Orden wirklich tun soll und dann hatte ich auch eine Freundin, wo ich spürte, da könnte eine gute Beziehung wachsen. Ich hätte damit leben können, dass ich mich unglücklich mache, aber jemand anders unglücklich zu machen, weil ich feige wäre meine Berufung zu prüfen, dass hätte ich mir nie verzeihen können.

Mein geistlicher Begleiter schickte mich daher zu den Kapuzinern nach Frankfurt, um vor allem auch ihr Wirken in der Citypastoral kennenzulernen. Sie hatten dort eine Kapelle, wo sie tagsüber stille Anbetung hatten. Am Nachmittag verbrachte ich dort gerne die Zeit vor dem Herrn in der Anbetung. In dieser stillen Anbetung kam der Durchbruch in meiner Entscheidung. Ich weiss heute noch genau das Datum: 8. September 2010. Ab da ging es schnell. Ich habe schon auf der Heimfahrt von Frankfurt mit P. Christoph-Maria Kontakt aufgenommen und er hatte mich dann zum damaligen Kustos P. Raphael Fässler OFM verwiesen. Im Gespräch mit P. Raphael bat ich, dass ich meine Berufung als Franziskaner gerne prüfen möchte. Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob das wirklich mein Weg ist, aber ich entschied mich dem Ruf nachzugehen und diesen Weg ernsthaft zu prüfen. So wurde ich am 8.September 2011 ins Postulat aufgenommen und ein Jahr später wurde ich eingekleidet.

Am 8. September 2018 legte ich meine feierliche Profess ab und gehöre nun ganz dem Herrn, und damit dem Franziskanerorden an.
Seit meinem persönlichen Ja zu Gott ist vieles geschehen. So hat sich mein Gottesbild geändert: Gott ist einfach grösser als unser Verstand. Das Leben mit Gott ist lebendig und macht lebendig. Das kann manchmal auch anstrengend und herausfordernd sein. Aber so ein Leben bleibt spannend und ist lebenswert.